02.03.2015

Baustelle Gestalten

Ein Pegasus für Miami

Die Kunstgießerei Strassacker hat die Visionen zahlreicher Architekten, Städteplaner und Künstler realisiert.  „Als vor rund drei Jahren die ersten Skizzen von Pegasus & Dragon zur Prüfung in Süßen eintrafen, haben selbst die erfahrensten Mitarbeiter erst einmal ungläubig geschaut“, erinnern sich Edith Strassacker und Günter Czasny. „Die Bronzeplastik Pegasus & Dragon war schon wegen seiner einzigartigen Ausmaße eine der größten Herausforderungen unserer fast 100jährigen Firmengeschichte“, berichten die verantwortliche Geschäftsführerin und der stellvertretende Geschäftsführer des Familienunternehmens mit 500 Mitarbeitern.

Staunend haben sich auch die Autofahrer auf dem viel befahrenen U.S. Highway 1 in Miami, Florida, in den vergangenen Monaten gefragt, was dort in der Nähe des Hallandale Beach im Gulfstream Park gebaut wird. Die 33 Meter hohe und in der Sonne glitzernde Metallkonstruktion, an der sich bis zu 100 Arbeiter zeitgleich zu schaffen machten, war Tagesgespräch an der legendären Bundesstraße, die entlang der US-amerikanischen Ostküste verläuft.

Das nach Beendigung des Aufbaus im November 2014 sichtbare Ergebnis ist nicht weniger spektakulär: Was hier in achtmonatiger Bauzeit entstand, ist die weltweit größte Pferdeskulptur und eine der größten Bronzestatuen, die jemals geschaffen wurden: 33 Meter hoch, 35 Meter breit und 60 Meter lang, montiert auf einem Skelett aus 400 Tonnen Stahl, zusammengefügt aus nicht weniger als 1.250 handgefertigten und von erfahrenen Kunsthandwerkern aufwendig bearbeiteten Bronzeelementen mit einem Gesamtgewicht von noch einmal 250 Tonnen. Die Skulptur Pegasus & Dragon stellt den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse dar. Pegasus, das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie, besiegt den Drachen. Das sich aus einer Felsformation erhebende Fabelwesen hält das Ungeheuer mit seinem Vorderhuf nieder.

Als ein Bestandteil des Projekt-Gesamtbetrags zwischen 20 und 30 Millionen U.S. Dollar bildet die errichtete Bronzeskulptur das Zentrum eines Themenparks im Gulfstream Park, der in unmittelbarer Nähe zur international renommierten Pferderennbahn im Frühjahr 2015 eröffnen wird. Initiator und Auftraggeber ist der österreichisch-kanadische Unternehmer Frank Stronach. Er ist Eigentümer des Gulfstream Park, Hallandale Beach, und hatte die Idee zu dem Projekt. Die Suche nach einem Unternehmen, das in der Lage ist, eine 33 Meter hohe Bronzeskulptur zu realisieren, führte Stronach ins baden-württembergische Süßen, dem Stammsitz der Kunstgießerei Strassacker.

„Schon die Berechnung und Entwicklung der äußerst komplizierten Stahlkonstruktion, an der die 1.250 Bronzeelemente wie ein 3D-Puzzle montiert werden sollten, war eine bisher beispiellose Herausforderung. Hinzu kam der strenge Zeitplan zur Umsetzung des Projektes. Exakt drei Jahre von der ersten Machbarkeitsstudie über die statische Berechnung, Konstruktion, Modellerstellung und Produktion, das Verschiffen der Einzelteile in rund 50 Seecontainern bis zur Montage und Installation vor Ort waren vorgegeben“, erläutert Günter Czasny, der das Projekt geplant, projektiert und mit einem Team spezialisierter Fachleute und kompetenten Kooperationspartnern umgesetzt hat.

Um die Bronzeteile auf der Stahlkonstruktion sicher zu fixieren, haben die Ingenieure und Spezialisten ein völlig neuartiges, flexibles Befestigungssystem entwickelt, das den besonderen klimatischen Bedingungen unter der Sonne Floridas gerecht wird: Denn Stahl und Bronze reagieren bei Erwärmung völlig unterschiedlich. Während die Bronzehülle der Skulptur sich bei Sonneneinstrahlung ausdehnt, bleibt die darunter liegende Stahlkonstruktion unbeweglich und starr. Zudem wurde die riesige Bronzeplastik so konstruiert und gebaut, dass sie auch dem stärksten Hurrikan trotzen kann. Hierzu waren nicht nur umfangreiche Berechnungen notwendig. Pegasus & Dragon mussten ihre Standfestigkeit unter extremsten Windbelastungen auch in mehreren Windkanaltests unter Beweis stellen.

Auch beim Zusammenbau der Bronzeteile zum Gesamtkunstwerk waren höchstes kunsthandwerkliches Können und jahrzehntelange Erfahrung notwendig. Schließlich sollte das Ergebnis die im Entwurf angelegte künstlerische und anatomische Perfektion erreichen. Dafür braucht es hervorragend ausgebildete und erfahrene Spezialisten. Deshalb haben die Spezialisten von Strassacker die Mitarbeiter der chinesischen Gießerei in den Werkstätten vor Ort über eineinhalb Jahre intensiv geschult. So vorbereitet wurden von ihnen die rund sieben bis acht Millimeter starken Bronzeelemente kunsthandwerklich bearbeitet und unter der Leitung der Spezialisten von Strassacker zum Gesamtkunstwerk zusammengebaut. Diese Bronzeelemente, jedes rund 1,5 x 2,5 Meter groß, wurden miteinander verschweißt und sorgfältig ziseliert. Beim Ziselieren arbeiten Kunsthandwerker die gesamte künstlerisch gestaltete Oberfläche mit Ziseliereisen und –meißeln, Feilen, Schabern, Schleif- und Polierwerkzeugen nach. Diese aufwendige Feinarbeit ist notwendig, um jegliche Verbindungslinien und Schweißnähte unsichtbar werden zu lassen und bringt die künstlerischen Details der Skulptur zur Geltung. Schließlich wurde dem monumentalen Werk durch das Patinieren die finale künstlerische Anmutung für das Gesamtkunstwerk verliehen. Diese spezielle Technik der Metallveredelung nimmt die natürliche Oxidation der Bronze vorweg und verleiht der Skulptur eine einzigartige, charakteristische, edle Anmutung. Für Pegasus & Dragon wurde eine antike Patina mit einem bräunlichen Grundton und grünen Nuancen umgesetzt.

Ein sehr wichtiger Meilenstein beim Aufbau der Skulptur war die Montage von Kopf und Flügeln auf dem bereits errichteten Körper des Pegasus. Um die zwischen 45 und 60 Tonnen schweren Bauteile in die endgültige Höhe von rund 33 Meter anzuheben, wurde einer der größten Schwerlastkräne der Welt eingesetzt.

 

 

Frank Stronach (Mitte) mit Günter Czasny, stellvertretender Geschäftsführer der Kunstgießerei Strassacker, im Gespräch mit dem akademischen Bildhauer Waldemar Schröder (links) im Atelier der Kunstgießerei Strassacker.
Wegen der enormen Größe der Skulptur entschieden sich die Fachkräfte für das traditionelle Verfahren „Skalierung anhand von Gitternetzkoordinaten von Hand“.
Keine leichte Entscheidung: hier das Modell des Pegasus in Originalgröße in Gips... und wie beim Drachen ein Stahlgestell, das als Koordinatensystem funktioniert.
...hier wiederum das Modell des Drachens in Ton. Das Stahlgerüst funktionierte dabei als 3D-Koordinatensystem. Die Größe der Skulptur erforderte diese besonderen Maßnahmen.
Anhand der Koordinaten exaktes Einsetzen dieser Holzschablonen in das Stahlgestell
Aufbau des Pegasus und des Drachens durch diese Holzschablonen Schicht für Schicht zu ihrer tatsächlichen Größe.
Die Gestaltung der endgültigen künstlerischen Form entstand durch das Auftragen und Modellieren von Gips beim Pegasus und durch Ton beim Drachen
Nach erfolgreicher Kundenabnahme des Pegasus-Modells in Gips und des Drachens in Ton erfolgte der Gießprozess. So ermöglichte die Gipsform des Pegasus-Modells die Zerlegung in 1.250 giessfähige Formteile.
Durch die Fertigung des Drachenmodells in Ton war ein Zwischenschritt erforderlich, um abformbare Teile für den Gießprozess zu erhalten.
Aus den Gipsnegativabformungen ließen sich dann die Gipspositivabformungen erstellen zur Verwendung als Modelle zur Abformung für den Gießprozess.
Temporärer Zusammenbau aller Gussstücke auf provisorischer Stahlkonstruktion zur Überprüfung der Passgenauigkeit ohne Verschweißung jedoch stabil durch Heftung
Provisorische Zusammensetzung der einzelnen Teile des Drachens wie in einem 3D-Puzzle. Arbeitsintensiver Überprüfungsprozess aller Teile im Verbund: Notwendiger Aufwand zur Überprüfung der exakten Form und Passgenauigkeit.
Gestaltung der künstlerischen Originaloberfläche entsprechend des Originalmodells mit unterschiedlichen kunsthandwerklichen Techniken der Metallbearbeitung.
Die Spezialisten und Fachkräfte überprüfen jedes einzelne Bronzeteil bis ins Detail und können nur so die erforderliche Passgenauigkeit der Skulpturen gewährleisten.
Temporäre Fundamente waren für die Montage von Pegasuskopf und –flügeln unabdingbar; zudem teilweise Vormontage der Stahlkonstruktion des Pegasustorsos und der –beine.
Zeitversetzt begann auch der Aufbau der Stahlkonstruktion des Drachens: Stück für Stück in die endgültige Position.
Statik und Gerüstbau waren besonders gefordert bei der Aufstellung des Pegasus auf dem Dome-Gebäude: somit aufwändige Überbauung, um Belastungen von vorneherein zu vermeiden.
Der Pegasus-Körper mit Kopf und rechtem Flügel
Endgültige und finale Formgebung am Pegasus-Körper. Anwendung traditioneller Treib- und Metallformgebungstechniken
Fertiggestellte Skulptur Pegasus und Drache
Der Pegasus im Vergleich mit deutschen Bauwerken.
…und im Vergleich mit internationalen Bauwerken.

 

 

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