05.11.2014

Baustelle Gestalten

Schlingrippengewölbe Dresden

 

Handwerkliche Fähigkeiten zur Fertigung von Schlingrippenkörpern spätgotischer Gewölbe sind mittlerweile nahezu in Vergessenheit geraten. Im Rahmen der Rekonstruktion des Schlingrippengewölbes von 1556 im Residenzschloss Dresden (2009 – 2013) bekamen sie einen neuen Stellenwert. Als die Renaissance vor über 400 Jahren aufkam, verdrängte sie die spätgotische Wölbetechnik zugunsten von Holzbalkendecken. Diese Technik ist – bis auf wenige bekannte Sanierungsbeispiele nach meist kriegerischen Zerstörungen – kaum mehr überliefert.
Einzige Quellen zu der Wölbetechnik sind – neben Werkmeisterbüchern des 16. Jahrhunderts mit wenigen textlichen Beschreibungen und Werkrissen mit Grund- und Bogenaustragungen – vor allem in Mitteleuropa noch bestehende Rippenwerke mit Befunden an Risslinien der damaligen Fertigung und ihren geometrischen Bezügen. Die Bemühungen der neueren Kunstwissenschaft, durch den Steinschnitt und die Bezüge die zweifach gekrümmten Rippenkörper erklären zu können, schlugen fehl.
Insbesondere die wissenschaftlichen Theorien, dass das Rippenprofil an jeder Stelle des Rippenverlaufs senkrecht stehen soll, die Körper mit außen in Rippenlängsachse aufzulegenden, gebogenen Schablonen gerissen werden würden und die Rippenwerkstücke untereinander austauschbar seien (da sie identischen Radien in Grund- und Aufriss folgen), führte in praktischen Versuchen des Handwerks zu widersprüchlichen Erkenntnissen. Auch Befunde an historischen Rippenkörpern mit ihren Profilverwindungen, der sich fortlaufend ändernden Krümmung, und ausgewertete Befunde an Risslinien widersprachen den Theorien.

 

Grundlagenforschung 
im Handwerk

Deshalb führte das Handwerk zunächst eine eigene Grundlagenforschung an über 25 spätgotischen Gewölben – unter anderem in Wien, Prag, Banska Bystrica, Kutna Hora – durch, um an noch vorhandenen Rippenkörpern und Risslinienbefunden die Handwerkstechnik verstehen zu können. Den Durchbruch brachte eine ausgeführte Werkplanung mit traditioneller Fertigung von zwei Modellen für Schlingrippen der Berliner Erasmuskapelle. Die Modelle orientierten sich an Aufmaßplänen, umfangreichen Fotos aus der Zeit um 1930 sowie Ruinenfotos mit Konstruktionsdetails von 1951. So konnte das Geheimnis der Schlingrippenkörper entschlüsselt werden. Die Schlingrippenkörper sahen zunächst mit heutiger dreidimensionaler Körperdefinition so aus, als ob ein immer gleiches Querschnittsprofil entlang einer Spirallinie senkrecht stehend verlaufen würde – gleich einem profilierten Handlauf im Wendelstein. Die Werkmeister der Spätgotik dachten aber nur in zwei Dimensionen und leiteten die Rippenkörper aus der Grundrissebene mit ihrer Figuration aus Kreisen und im Aufriss mit der Bogenaustragung her. Diese Bezüge aus nur zwei Ebenen wurden einzig über die Fugen hergeleitet und gerissen, was auch alle überlieferten Werkmeisterbücher mit ihren Werkrissen zeigen. Mit unserem heutigen dreidimensionalen Denken, einen Körper zu definieren, ist die Schlingrippe daher kaum erklärbar, weil wir für das mittelalterliche Konstruieren zu kompliziert denken. So wurde bis dato auch nicht wahrgenommen, dass sich die Rippen fortlaufend ändernd krümmen und das Profil an jeder Stelle im Querschnitt leicht verändert ist, was sich aus dem Konstruieren aus zwei Dimensionen heraus geometrisch bedingt ergibt.
Auf der Basis dieser Studien des Handwerks wurde für die Dresdener Gewölberekonstruktion eine steintechnische Werkplanung des Rippenwerks vorgenommen.

 

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