08.08.2017

Baustelle Gestalten

42-Tonner im Keller

der Säbel darauf dient zum Köpfen von Flaschen. Im Torweg Franziska Bauer

Staunen in der Sektkellerei Stocker: Bei den Aushubarbeiten zur Erweiterung der Kelleranlage stießen die Südtiroler auf einen 15-Kubikmeter-Findling, der unbemerkt seit Urzeiten im Erdreich schlummerte – direkt neben der alten Hauswand. Genau dort, wo der Zugang zum neuen Untergeschoss geplant war. Was manche geärgert hätte, empfand Betreiber Sigmar Stocker als glückliche Fügung und band seinen Hausstein gleich mehrfach in die Familie ein.

Sesam, öffne Dich! Durch ein Portal im 15-Kubikmeter-Findling gelangt man in den unterirdischen Neubaubereich der Sektkellerei Stocker. Foto: Philipp Neuman
Der Weg der Säge: Im Durchgang erkennt man, wie sich das Diamantseil seinen Weg durch den Ergussstein bahnte. Foto: Philipp Neuman
Die Bank im neuen Sektkeller stammt aus dem Findling, der Säbel darauf dient zum Köpfen von Flaschen. Im Torweg Franziska Bauer, in deren Haus nun Platten aus dem Koloss liegen, ihr Sohn Maximilian Stocker, der in Onkels Sektkeller aushilft und Steinmetz Hans Trojer von südtirol.stein (v.l.n.r.). Foto: Philipp Neuman
Stilvolle Sanierung: Franziska Bauers Haus stammt aus dem Hochmittelalter. In ihm wurden Platten aus dem Sektkeller-Findling verlegt. Foto: Philipp Neuman
Das vulkanische Ergussgestein hat viele Brekzien-Einlagerungen und ist herrlich bunt. Foto: Philipp Neuman
Einzigartiger Fußboden: Der farbenfrohe Findling aus dem Keller des Familienbetriebs als Bodenbelag im Wohnhaus. Foto: Philipp Neuman
Schmuck auch in der Vertikalen: Im Waschraum dient der Stocker-Stein auch als Raumtrenner. Foto: Philipp Neuman
Im Raum für die besonderen Firmenschätze der Terlaner Sektkellerei – ausgewählte alte Flaschen und Erinnerungsstücke – wurde ein massiver Stehtisch aus dem Hausstein installiert. Im Hintergrund Firmengründer Sebastian Stocker sen. Foto: Philipp Neuman

Seit 1968 gibt es die Sektkellerei Stocker in Terlan, 2015 war es an der Zeit für eine Erweiterung der Anlage. Als die Bagger anrückten, förderten sie eine große Überraschung zutage: Hochgerechnet 42 Tonnen wog der 15-Kubikmeter-Brocken aus vulkanischem Ergussgestein, der unterirdisch direkt außerhalb der Kellerwand des Altbestands lag. „Und das ist nur der sichtbar gewordene Teil. Wie weit der Findling noch nach unten reicht, kann man nicht sagen“, erklärt Peter Watschinger von der zu Hilfe gerufenen Firma südtirol.stein. „Der abgerundeten Form nach zu schließen, ist der Fels vor langer Zeit mit einem Wasserlauf oder Gletscher hier gelandet.“

Der Riese versperrte den geplanten Weg in den neuen Sektkeller, doch eine Zerteilung und Bergung wäre mit unabwägbar großem Aufwand verbunden gewesen. Außerdem betrachtet die Familie den Stein als großes Geschenk. „Laut dem Südtiroler Landesgeologen Dr. Volkmar Mair ist unser Findling ungefähr 276 Millionen Jahre alt. Wer hat schon so etwas Tolles im Haus?“, lacht Sigmar Stocker, dessen Freude es auch keinen Abbruch tat, wegen des Steinfunds die Statik seines Bauvorhabens neu berechnen lassen zu müssen.

Zusammen mit den Material-Profis von südtirol.stein fasste er den Entschluss, sich seinen Koloss im Keller gleich auf mehrfache Weise zunutze zu machen: Mittels Diamantseilsäge wurde ein Durchgang in den Monolithen geschnitten, wodurch ein einzigartiges Portal zwischen Alt- und Neubau entstand. Ein Teil der entnommenen sieben Kubikmeter Ergussgestein mit bunten Brekzien-Einlagerungen schmückt jetzt als Monolithbank und –stehtisch die neuen unterirdischen Räumlichkeiten. Der Großteil fand eine andere Verwendung im familiären Umfeld: Sigmar Stockers Schwägerin Franziska Bauer renoviert gerade im selben Ort ihr historisches Wohnhaus aus dem Hochmittelalter. Der bunt gemusterte Vulkangesteinfund ziert nun in Form von 50 Quadratmetern satinierten Platten den Boden im Hochparterre und kommt im Sanitärbereich zudem als Raumtrenner zum Einsatz.

 

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