13.07.2018

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Ausstellung „In Stein gemeißelt“ fordert Sehgewohnheiten heraus

2018. Foto: Galleria Poggiali

Die Glyptothek in München zeigt naturalistische Marmorskulpturen des italienischen Künstlers Fabio Viale

Wirkt federleicht, besteht aber aus massivem Marmor: Papierflieger „Aero“ (75 x 200 x 95 cm), 2015. Foto: Galleria Poggiali
Fabio Viale bemalte die „Venere Italica“ im Stil japanischer Yakuza-Tattoos. Marmor und Pigmente, 173 x 52 x 75 cm, 2016. Foto: Galleria Poggiali
Perfekte Täuschung: La „Suprema“ aus Marmor und Pigmenten (90 x 80 x 60 cm), 2018. Foto: Galleria Poggiali
Die Reifenskulptur „Earth“ sieht aus wie Gummi, ist aber aus schwarzem Marmor (190 x 130 x 140 cm), 2017. Foto: Galleria Poggiali
„Stargate“ beweist in seiner filigranen Ausarbeitung die herausragenden Fähigkeiten des Künstlers Viale (190 x 210 x 124 cm), 2017. Foto: Galleria Poggiali
Bei „Orbitale“ macht eine geflickte Stelle die Illusion komplett (63 x 90 x 67 cm), 2017. Foto: Galleria Poggiali
Das Gewand von „Nike“ zeigt einen faszinierenden Faltenwurf (123 x 88 x 65 cm), 2017. Foto: Galleria Poggiali

“Ich liebe Marmor”

Autoreifen, eine Holzkiste und ein schon etwas zerknitterter Papierflieger – auf den ersten Blick nichts Besonderes. Der Wow-Effekt überfällt den Betrachter der Ausstellung „In Stein gemeißelt“ allerdings spätestens dann, wenn er die Gegenstände etwas genauer in Augenschein nimmt. Fabio Viale überlistet mit seinen Arbeiten geschickt unsere Sehgewohnheiten, indem er die verschiedensten Materialien in den Werkstoff Marmor übersetzt. Dabei arbeitet er die Oberflächenstrukturen so detailgetreu aus, dass der Stein optisch von Gummi, Holz oder Styropor kaum zu unterscheiden ist. Farbige Pigmente verleihen der Täuschung schließlich den letzten Schliff. Der Italiener knüpft damit an die künstlerischen Maßstäbe des Klassischen Altertums an: „Ich mag die griechischen Bildhauer einfach“, sagt Viale.

Im 7. Jahrhundert vor Christus entstanden in Griechenland die ersten großformatigen Skulpturen aus Marmor. Während die Ägypter Statuen überwiegend in ihre Architektur einbanden, erschufen die Griechen freistehende Objekte. Die Bildhauerei nahm bald die führende Rolle unter den Künsten ein. In der hellenistischen Periode bekamen die Figuren eigene Gesichtszüge und charakteristische Posen. Dramatische Szenen wie die Laokoon-Gruppe oder der lasziv-berauschte Ausdruck des Barberinischen Fauns veranschaulichen uns auch heute noch das Können der damaligen Bildhauerzunft. Die Beschaffenheit von Materialien aller Art so realistisch wie möglich in Stein abzubilden, war ihr erklärtes Ziel. Diesen Anspruch setzt Viale in seinem Werk fort. 

„Ich liebe Marmor“, sagt Fabio Viale. „Er macht mich fröhlich, es ist einfach ein Werkstoff mit viel Power.“

Eine Brücke zwischen den Epochen

Viale wurde 1975 im norditalienischen Cuneo geboren. Mit 16 Jahren startete seine Karriere an einer italienischen Kunstschule. Später übte er sein Handwerk in verschiedenen Marmorwerkstätten in Carrara aus, wo schon Michelangelo Buonarroti die Steinbrüche der Region aufsuchte und das beliebte Material seit mehr als zweitausend Jahren abgebaut wird. Heutzutage hat die Marmorkunst nicht mehr denselben Stellenwert wie in der Antike oder Renaissance. Dass sie dennoch fasziniert, zeigen die zahlreichen Auszeichnungen mit denen Viale bereits geehrt wurde. Seine Werke stellte er bereits auch in Moskau und New York aus. Fabio Viales Skulpturen spielen mit dem Stein. Sie zeigen Motive, die den Betrachter zunächst eigentlich an ein anderes Material denken lassen. Auch seine hellenistischen Vorbilder lassen sich erst nach eingehendem Studium komplett erschließen. So schlägt der Künstler die Brücke zwischen den Epochen.

Fabio Viales Skulpturen mischen sich vom 12. Juli bis 30. September im Rahmen der Ausstellung „In Stein gemeißelt“ in der Münchner Glyptothek unter die antiken Plastiken der bestehenden Sammlung und sorgen so für einen spannenden Kontrast.

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