20.09.2016

Chancen

Ein Steinmetz auf Wanderschaft

Die Walz gibt es schon seit etwa dem 12. Jahrhundert. Mindestens drei Jahre und einen Tag verlassen Handwerkergesellen ihre Heimat, um auf der traditionellen Wanderschaft neue Arbeits- und Lebenserfahrungen zu sammeln. Heute sind noch rund 900 von ihnen unterwegs. Warum ist die sogenannte „Tippelei“ im 21. Jahrhundert noch attraktiv?

In traditioneller Steinmetz-Kluft lehnt Alexander Trunk neben dem Ortsschild seiner Heimatstadt, die er etwa vier Jahre lang verließ, um auf die Walz zu gehen. (Foto: Alexander Trunk)
Trunk begann seine Reise mit zwei Wandergesellen, suchte aber bald seine eigenen Wege. Auf der Walz sammelte Trunk viele Arbeitserfahrungen. (Foto: Alexander Trunk)
In Erfurt gestaltete er Mauerabdeckungen mit Siegel für den Vorgarten eines Privathauses. (Foto: Alexander Trunk)
In der Eifel arbeitete er an überdimensionalen steinernen Puzzleteilen für eine Schule. (Foto: Alexander Trunk)
Im englischen York half Alexander Trunk über drei Monate lang bei der Restaurierung der St Mary's Church. (Foto: Alexander Trunk)

Es ist bitterkalt. Bei minus 17 Grad Celsius verbringt Alexander Trunk die Nacht im Freien. Fast eineinhalb Jahre ist der Steinmetzgeselle zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Walz. Warum nimmt er solche Strapazen auf sich? Die Antwort darauf ist vielschichtig und nicht nur auf jugendlichen Freiheitsdrang und Abenteuerlust zu reduzieren.

Wie beginnt man nun eine solche Reise? Allgemeine schachtunabhängige Voraussetzungen für die Walz sind der Gesellenbrief, die Schuldenfreiheit, Vorstrafenfreiheit und der Beginn der Wanderschaft im Alter von unter 30 Jahren. Sowohl unverheiratet als auch kinderlos müssen die Gesellen sein. Die Schächte (Vereinigungen von Handwerkern, die auf Wanderschaft sind oder waren) können eine erste Anlaufstelle sein. Als Mitglied eines Schachts kann man auf die gesammelten Erfahrungen vieler Wandergesellen zurückgreifen, erhält wichtige Kontakte und kann in den für die Wandergesellen offenstehenden Herbergen unterkommen.

Abschied von Familie und Freunden

Konkret beginnt die Walz mit dem Abschied von Familie und Freunden. Neben der Abschiedszeremonie gibt es auch eine Heimkehrzeremonie, Trink- und Vorspracheregeln und sogar eine eigene „Sprache“. Mit der Pflege dieser tausende Jahre alten Traditionen werden Geschichte und Werte des jeweiligen Handwerks in die Gegenwart getragen und aktiv ausgelebt.

Die jungen Gesellen zeigen, dass sie stolz sind, auf das was sie tun. Im Vordergrund steht das Verfeinern der beruflichen Fähigkeiten. Wenn man bei unterschiedlichen Betrieben mit unterschiedlichen Schwerpunkten Arbeit findet, dann lernt man immer neue Arbeitstechniken und Herangehensweisen. Und wer kann schon sagen, er habe an der Siegessäule und der Staatsbibliothek in Berlin mitgearbeitet? Alexander Trunk ist stolz auf seine dort bearbeiteten Steine, die er jetzt seinen Freunden zeigen kann.

„Die Walz ist kein Campingurlaub, sondern fordert viel von einem ab“, so Trunk. Dabei denkt er nicht nur an die zu Fuß erwanderten Wegstrecken, er sieht in der Walz auch ganz allgemein eine Schule des Lebens. Auch die Reise in andere Länder verspricht eine neue Sicht auf die Welt, das Kennenlernen anderer Kulturen und Sprachen. Die für jeden einzigartigen Erlebnisse der Wanderschaft können eine gute schulische Ausbildung zwar nicht ersetzen, bereichern und vertiefen das Gelernte aber stark und erweitern den eigenen Horizont.

Erfahren Sie mehr über Alexander Trunk und seine Wanderschaft in STEIN im Oktober 2016.

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