14.11.2016

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Grillen am Grab


Die Memoriam-Gärten

Seit Jahren verzeichnen wir einen massiven Wandel der Bestattungskultur – mit Friedwäldern, Seebestattungen, anonymen Urnenfeldern und Rasengräbern. Als Folge davon trägt sich die Kostenstelle Friedhof in immer weniger deutschen Gemeinden selbst, was sie rein rechtlich eigentlich müsste. Rückläufige Einnahmen erfordern kommunale Subventionen in ihre Friedhöfe. Feuerbestattungen haben Konjunktur, und gefragt sind möglichst kleine Nischen in riesigen Urnenwänden – billig und ohne Aufwand. Daneben aber entstehen auch wieder Mausoleen, die problemlos sechsstellige Eurobeträge verschlingen können: Die Bestattungskultur anno 2016 passt sich der gesamtgesellschaftlichen Scherenentwicklung an.

Was tun mit den entstehenden Frei- und Brachflächen auf unseren Friedhöfen, die den ohnehin klammen Kommunen für den Erhalt ständig weitere Kosten bescheren? Höhere Friedhofsgebühren – eine vielerorts praktizierte Maßnahme – forciert den Wandel nur noch mehr, macht sie doch Billigangebote attraktiver. Die Verbraucherinitiative Bestattungskultur „Aeternitas“ fordert vom Staat gar bereits die Finanzierung einer kostenlosen Bestattung für alle Bürger. Dabei gibt es bereits etliche Möglichkeiten, den Wandel positiv zu gestalten.

Ein Beispiel sind sogenannte gärtnergepflegte Grabfelder, die den Friedhofsgärtnern, aber auch den Steinmetzen neue Einsatzgebiete verschaffen. Mehrere Betriebe beider Gewerke übernehmen hierbei gemeinsam von der Kommune eine Fläche auf dem Friedhof, die sie nach ihren oder den Vorstellungen der Gemeinde parkähnlich gestalten: etwa mit einem Teich, Hügeln, Mauern, Skulpturen, Wiesen, Pflanzen, Bänken und Wegen. Anstelle des gewohnten Bildes von einem Friedhof in preußischen Ordnung und an der Richtschnur ausgerichteten Gräbern entstehen Parks und Gartenanlagen mit hohem Freizeitwert. Unterschiedliche Bestattungsmöglichkeiten finden nebeneinander Platz: Einzelgräber für Särge ebenso wie Urnenfelder, Rasen- und Baumgräber oder anonyme Grabfelder mit zentraler Gedenkstätte. Grabsteine dürfen errichtet, Blumen niedergelegt und Laternen sowie Vasen aufgestellt werden – jeweils nach den Wünschen der Hinterbliebenen. Um die Pflege der gesamten Anlage kümmern sich die vorleistenden Betriebe, während die Angehörigen sich um nichts kümmern, sondern lediglich eine – entsprechend ihrer Auswahl – monatliche Gebühr entrichten müssen. Es entstehen Orte, die nicht nur von den Hinterbliebenen gerne besucht werden und die sich zur Trauerbewältigung ebenso eignen wie zur allgemeinen Erholung.

Ähnlich verhält es sich mit den ‚Memoriam‘-Gärten, bei denen die Namen der Verstorbenen von am Konzept beteiligten Steinmetzen generell auf kunstvollen Grabmalen verewigt werden. „Darüber hinaus sind alle Grabstätten in harmonischer Art und Weise miteinander verbunden, da es keine klaren Abgrenzungen wie bei klassischen Gräbern gibt. Weil die Dauergrabpflege durch kompetente und qualifizierte Friedhofsgärtner übernommen wird, grünen und blühen Memoriam-Gärten das ganze Jahr über“, schreibt die Gesellschaft deutscher Friedhofsgärtner auf ihrer Internetseite www.memoriam-garten.de. Derartige Gartenanlagen gibt es bereits in etlichen deutschen Städten – von Aachen bis Wunstorf.

In Karlsruhe und Mannheim existieren zudem bereits Vereine zur Pflege der Bestattungskultur, die Veranstaltungen im Parkgrabfeld organisieren – wie beispielsweise Lesungen, Gottesdienste oder kleine Konzerte, die sich um Tod, Trauer und Abschied drehen. Dass Friedhöfe durchaus zu Publikumsmagneten avancieren können, wissen Paris- und Wien-Reisende durch den Friedhofstourismus zum Pere Lachaise mit seinen berühmten Gräbern von Jim Morrison, Frederic Chopin, Oscar Wilde und Edith Piaf oder denen von Johann und Josef Strauss, Wolfgang Amadeus Mozart sowie Falco auf dem Wiener Zentralfriedhof. Aber nicht nur die Gräber berühmter Persönlichkeiten wirken anziehend. Hierzulande der Kölner Melatenfriedhof mit seinen wilden Papageienscharen zieht immer mehr Besucher an.

Chancen in der Bestattungskultur

Für deutsche Vorstellungen schon ein wenig skurril muten die Grillplätzen auf einem Kopenhagener Friedhof an. Auch der Spielplatz auf einem Friedhof in Karlsruhe ist einigen trauernden Angehörigen ein Dorn im Auge – ebenso wie Picknicks an schönen Sommertagen und nächtliche Partys auf einigen Münchener Friedhöfen.

Aber nicht nur die Friedhöfe insgesamt, sondern auch die einzelnen Gräber wandeln sich. So ermöglichen etwa Grabsteine mit QR-Code das Abrufen persönlicher Informationen des Verstorbenen oder eines YouTube-Trauervideos mittels Smartphone. „Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe“ als Inschrift auf einem Grabstein oder Grabmale in Form von Skiern, Raumschiffen, Autos, Computermäusen und Comicfiguren zeigen, dass der Trend vom Jenseits zum Diesseits geht. Dies aber mag man bedauern, aufzuhalten ist es nicht. Und daher sind Steinmetze gut beraten, mit dem Trend zu gehen und sich neue Ertragsquellen sowie Geschäftsfelder zu erschließen.

Lesen Sie mehr zum Thema „Fertigung und Gestaltung von Grabmalen“ ab 21. November 2016 in unserem aktuellen Heft.

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