09.04.2015

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Skulptur des Monats: Wer bin ich?

April 2015: Die 70 cm hohe Skulptur aus Mainsandstein von Steff Bauer. (Foto: Natursteinwerk Graser Bamberg)

Im Rahmen der Schweinfurter Frauenwochen vom 28. Februar bis 28. März 2015 präsentierte die Bildhauerin Steff Bauer in der Ausstellung „Ladies First“ ihre Interpretation des Themas „Wer bin ich?“. Ihre Skulptur aus Mainsandstein setzt sich mit den existentiellen Fragen nach dem freien Willen und der Determiniertheit des Menschen auseinander. Fragen, die Dichter und Denker schon Jahrhunderte beschäftigt haben und die wohl nie restlos geklärt werden können. Ein philosophisches Erlebnis aus Stein. Steff Bauer beschreibt und kommentiert:

April 2015: Die 70 cm hohe Skulptur aus Mainsandstein von Steff Bauer. (Foto: Natursteinwerk Graser Bamberg)

Wie wird ein Mensch zu der Persönlichkeit, die er dann ist? Inzwischen wurde widerlegt, dass der Mensch sich zum Großteil aus seinen genetischen Anlagen heraus entwickelt. Sicherlich spielt die Genetik nach wie vor eine Rolle, weit ausschlaggebender aber ist die Summe der Erfahrungen und Prägungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht. Die Kindheit, Umgebung, Erziehung, Bildung, Begegnungen und Bindungen sind ausschlaggebend für die Entwicklung eines Individuums.

Mich interessiert, ob es gewisse Mechanismen gibt, die auch Menschen, die unter schwierigen Bedingungen heranwachsen, die Möglichkeit geben, ein selbstbestimmtes, glückliches Leben zu führen. „Resilienz“ ist da ein Stichwort aus der Psychologie. Ich stelle mir Fragen nach bewusster oder unbewusster Manipulation und Beeinflussung durch Außenfaktoren jedes Einzelnen: Wie frei sind wir? Gibt es Freiheit oder den freien Willen gar? In der Skulptur” Wer bin ich?” stellt ich diese Manipulationen teilweise überspitzt und humoristisch dar. Da bohrt zum Beispiel jemand mit einem Presslufthammer in den Kopf, an anderer Stelle ziehen Leute mit Koffer gleich in den Hinterkopf ein und machen es sich dort gemütlich. Eine Frau ( die Mutter) schrubbt mit großer Energie und Ausdauer das Gesicht (des Sohnes?): Sie poliert sein Image, statt ihm echte Liebe entgegenzubringen. Das bezieht sich auch auf das wachsende Leistungsdenken in unserer heutigen Zeit.

Die Arbeit "Wer bin ich?" stellt dar, was den Menschen im Innersten zusammenhält oder auch entzweit.

Die Skulptur besteht aus neun gleich großen, weiß-grünen Mainsandsteinen – aus sogenanntem Breitbrunner Sandstein –, sinnbildlich für die Bausteine, aus denen eine Persönlichkeit bzw. ein Leben zusammengesetzt sein kann. Es könnten natürlich auch viel mehr Teile sein oder man könnte die Teile ganz anders zusammenstellen. Da ist zum Beispiel der unterste Baustein, die Kindheit. Ein Kind sitzt allein mit seinem Stofftier im Keller, die Treppen zum Keller führen nur nach unten. Eine Kiste steht da noch: Diese “Schatzkiste der Kindheit” bleibt aber verschlossen, weil das Kind durch fehlende Wärme, Liebe und Aufmerksamkeit, also durch Vernachlässigung, sein Potential nicht entwickeln kann.

Die Skulptur besteht aus neun gleichgroßen Steinen.

Die Idee zu dieser Skulptur hatte ich schon länger und setzte diese in einer Zeit um, als ich mich sehr fremdbestimmt fühlte, wie ein Spielball, der übers Feld geschlagen wird. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal so empfunden. In meinen freien Arbeiten setze ich meistens Themen um, die mich unmittelbar beschäftigen, vorwiegend geht es um menschliche Interaktionen und die daraus resultierenden Fragen und Folgen. Die Skulptur ist etwa 70 Zentimeter hoch. Dem feinporigen Mainsandstein aus den Steinbrüchen des Natursteinwerks Graser in Bamberg ist zu verdanken, dass man so delikate, detailreiche Szenen mit Durchbrüchen etc. darstellen konnte. Ein tolles Material! Die Szenen wurden teils mit Presslufthammer, teils mit Hand aus dem Stein gehauen und anschließend von Hand geschliffen.

Szenen einer "verlorenen" Kindheit oder der Besetzung des eigenen Gehirnes regen zum Nachdenken an.

Die von der Kuratorin Birgit Seidel ins Leben gerufene Ausstellung ” Ladies First” fand im Rahmen der Schweinfurter Frauenwochen zum ersten Mal statt. Seidel wählte auch die Künstlerinnen dafür aus. Auch wenn ich nicht zugegen sein konnte, war es meiner Meinung nach eine gute Idee, nur lokale, weibliche Künstlerinnen auszustellen. Leider ist auch der Kunstbereich immer noch etwas ” männerlastig”. Diese Ausstellung bot eine gute Gelegenheit, die spannende Vielfalt weiblicher Künstler zu zeigen. Inhaltlich wurde allerdings kein Thema vorgegeben, sodass jede Künstlerin zeigen konnte, was sie wollte.

Gott sei Dank – finden wir, sonst hätte Steff Bauer vielleicht diese Skulptur, die die menschlichen Abgründe zeigt, nicht ausgestellt. Unsere Skulptur des Monats April – sie rührt an unser Innerstes. Mehr zur Künstlerin finden Sie hier.

Die Schweinfurter Bildhauerin Steff Bauer erhielt bereits 1990 nach ihrem Abitur erste Aufträge für künstlerische Arbeiten, gleichzeitig engagierte sie sich immer wieder im sozialen Bereich. 1991 gestaltete sie diverse Gebäude, Lokale und soziale Einrichtungen. Ab 1994 absolvierte sie die Steinmetz- und Bildhauerausbildung. 1997 machte sie sich als Bildhauerin selbstständig. Heute arbeitet und lebt sie gemeinsam mit dem Bildhauer Sören Ernst in Deutschland und Portugal.

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