07.05.2020

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STEIN-Filmtipp: Kunststein oder Stein-Kunst?

Was in der Wüste passiert, bleibt in der Wüste. Zumindest im Fall des amerikanischen Pop-Art-Künstlers und Fotografen Ed Ruscha. Er hat ein Ferienhaus in der Mojave Desert, 15 Kilometer entfernt vom südkalifornischen Landers, wo auch der Giant Rock liegt. Geologisch ist die Wüste von hohem Interesse, da hier durch die San-Andreas-Verwerfung enorm viele Gesteinsschichten und -sorten an die Oberfläche gekommen sind. Aber auch Ufologen kommen hier immer wieder her, halten Conventions ab, und die berüchtigte Area 51 ist auch nicht weit entfernt.

Welches Steinderl hätten die denn gern? Die Drehbuchautoren D.V. DeVincentis und Anthony Peckham in der Mojave-Wüste. Foto: Rapid Eye Movies
Kennen Sie den? Detective Michael Scott befragt Ortsansässige in der Wüste. Foto: Rapid Eye Movies
Wo ist Rocky II? Detective Michael Scott durchkämmt die Wüste. Foto: Rapid Eye Movies
Der Vater des Gedankens – und des Werks: Künstler Ed Ruscha versteckte einen künstlichen Felsen in einer Wüste voller echter. Foto: Rapid Eye Movies
Suchbild, quasi: Rocky II ist im Falle der Mojave Desert eine gut versteckte Felsfälschung, einsam in einer Wüstenwelt aus Originalen. Foto: Rapid Eye Movies

Spannend-absurde Schnitzeljagd

Ruscha nun hat diese psychedelischen Vibes aufgegriffen, 1976 einen künstlichen Felsen angefertigt und in der Wüste ausgesetzt. Warum ist nicht klar, doch die Vorstellung einer Steinfälschung in einem Meer aus Originalen hat die ironische Anmutung einer gefälschten Mona Lisa im Louvre. „Was ist Kunst?“, scheint sie zu fragen. Der Pappmachékern des Imitats zerfiel in der Witterung allerdings schnell und Ruscha machte sich an eine wasserfeste Stein-Nachbildung. Aus Kunstharz und Sand goss er einen mannshohen Fake-Felsen, der einem großen eingedrückten Tennisball aus Sandstein sehr ähnlich sieht. Genau genommen ist sein zweiter Kunst-Stein ein Quarzkomposit. 1979 war dieses zweite Exemplar fertig: Rocky II, in Anlehnung an Sylvester Stallones Boxfilm, der im selben Jahr ins Kino kam. Rocky II liegt angeblich heute noch irgendwo in dem 35.000 Quadratkilometer messenden Gebiet.

Das wäre alles in Vergessenheit geraten, wenn nicht der französische Filmemacher Pierre Bismuth 2005 auf Filmaufnahmen gestoßen wäre, in denen Ruscha Rocky II in der Wüste platziert. Bismuth dokumentierte seine Recherche in dem äußerst vergnüglichen Film „Wo ist Rocky II?“ und stellt darin auch Überlegungen dazu an, weshalb Ruscha diesen Aufwand betrieben hat, ohne die Welt daran teilhaben zu lassen. Der Künstler selbst schwieg dazu, auch die Kunstwelt schien nichts von diesem Projekt zu wissen. Bismuth engagierte für seine spannend-absurde Schnitzeljagd sogar einen ehemaligen Mordkommissar als Privatdetektiv, der die abgehoben-elitäre Kunstwelt mit seinen Betrachtungen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Bismuth verwebt diese Recherche obendrein mit einer fiktionalen Handlung, in der er darüber sinniert, ob Ruscha unter dem Stein vielleicht ein dunkles Geheimnis begraben hat und ihm möglicherweise das perfekte Verbrechen gelungen sei. Herausgekommen ist ein herrlich unterhaltsamer Detektivfilm über das Wesen der Kunst – und eines vom Erdboden verschluckten Kunst-Steins.

WO IST ROCKY II? (OT: „Where is Rocky II?”), USA 2016, 93 Minuten. Regie: Pierre Bismuth; mit: Ed Ruscha, Milo Ventimiglia, Robert Knepper, D.V. DeVincentis, Anthony Peckham, Mike White. Rapid Eye Movies. Der Film ist als Video on Demand erschienen, zum Beispiel direkt beim Verleih Rapid Eye Movies: https://vimeo.com/ondemand/whereisrocky2

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