15.09.2017

Chancen

Zur Lage der Handwerksnation

Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und selbst Malermeister

Nächstes Wochenende, am 24. September 2017, steht die 19. Bundestagswahl an. Ein guter Anlass für STEIN-Autorin Bärbel Daiber, bei Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer einmal nachzufragen, wie es um das Verhältnis zwischen Handwerk und Bundespolitik steht und welche Forderungen und Erwartungen der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) an die künftige Regierung hat.

STEIN: Herr Wollseifer, Handwerk und Mittelstand erfahren von der Politik endlich mehr Wertschätzung. Wie wirkt sich das aus, und wo hapert es noch?

Hans Peter Wollseifer: Der deutsche Mittelstand und als dessen wichtiger Bestandteil die mehr als eine Million Handwerksbetriebe haben sich in Krisenzeiten als sehr robust erwiesen. Sie haben sich zugleich als der Wirtschaftsbereich hervorgetan, auf den die Politik gerade auch mit Blick auf herausragende gesellschaftspolitische Herausforderungen wie etwa die Flüchtlingsintegration zählen kann. Das Handwerk wirkt gesellschaftspolitisch wie wirtschaftlich stabilisierend. Das hat entscheidend auch mit dem dualen Ausbildungssystem zu tun, das für Ausbildungsqualität und für den Nachschub an qualifizierten Fachkräften sorgt. Auch wenn das inzwischen in der Politik überwiegend so gesehen wird, ist bei der finanziellen Unterstützung der beruflichen Bildung und der Ausbildungsförderung, etwa bei der Höheren Berufsbildung, noch viel Luft nach oben. Damit unsere Betriebe weiter erfolgreich sein können, braucht es zudem entsprechende Rahmenbedingungen. Überflüssige Bürokratie muss weiter abgebaut werden. Und was die Belastungen durch Steuern und Sozialabgaben angeht, sind unsere Betriebe an der Schmerzgrenze. Damit sie wettbewerbsfähig bleiben, dürfen auch künftig die Sozialabgaben 40 Prozent keinesfalls überschreiten.

STEIN: Was wurde in der vergangenen Legislaturperiode an dringenden Maßnahmen für das Handwerk versäumt, was jetzt dringend angegangen werden müsste?

Hans Peter Wollseifer: Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es dringlich, die berufliche Bildung wieder attraktiver für junge Menschen zu machen. Dazu braucht es eine bessere Ausstattung unserer Berufsbildungsstätten, ein Update für die Berufsschulen und eine insgesamt stärkere Förderung der beruflichen Bildung. Nach dem erfolgreichen Hochschulpakt muss es nun einen Berufsbildungspakt geben, auch als Ausdruck der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Wir haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass viel mehr energetische Sanierungen von Gebäuden nötig sind, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen – steuerliche Anreize können entscheidend dazu beitragen, dass investiert wird. Hier könnte man bereits viel weiter sein. Es ist in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Strompreise für mittelständische Betriebe und Privathaushalte im Griff zu behalten, die EEG-Umlage steigt und steigt. Aus Sicht des Handwerks kann nicht hingenommen werden, dass kleinere und mittlere Betriebe für die Privilegierung der Großunternehmen, die von der Umlage befreit sind, zur Kasse gebeten werden.

STEIN: Welches sind die drei wichtigsten Themen des Handwerks, um die sich die Politik jetzt dringend kümmern muss? Und welche zentralen Forderungen des Handwerks an die künftige Bundesregierung leiten Sie daraus ab?

Hans Peter Wollseifer: Dass dringend etwas bei der Finanzierung der Energiewende geschehen muss, habe ich schon angesprochen. Die Kosten müssen fair verteilt und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, und es muss eine sichere und bezahlbare Energie- und Stromversorgung gewährleistet sein. Gerade für die Handwerksbetriebe in ländlichen Regionen ist es sehr wichtig, dass sie Zugang zu schnellem Internet haben. Hier müssen wir bei der Anbindung deutlich schneller werden. Notwendig ist für die Betriebe außerdem ein zeitgemäßes Datenrecht. Bei Steuern und Sozialabgaben darf es keine weiteren Belastungen für unsere Betriebe geben. Beispielhaft verweise ich auf den Bereich der Rente: Hier rächen sich Fehler der Vergangenheit wie die Mütterrente oder die Rente mit 63. Dadurch wird die Rentenkasse jedes Jahr mit mehreren Milliarden Euro belastet. Wir müssen dringend die Kosten bei der Rente im Griff behalten. Es sollte daher auf keinen Fall weitere Leistungsausweitungen geben, die dann aus Beitragsmitteln zu finanzieren sind. Vielmehr muss es darum gehen, die Rente demografiefest zu gestalten, indem beispielsweise das Renteneintrittsalter – wie künftig in Dänemark – an die Lebenserwartung geknüpft wird.

STEIN: Vielen Dank für das Gespräch.

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