Von Berufswegen – ich habe Steinbildhauer gelernt und auch die Meisterprüfung gemacht – kenne ich fast alle Materialien. Aber trotzdem habe ich für meine Formen früher nur mit schwarzem Gestein gearbeitet. Und jetzt, seit Jahren, arbeite ich nur noch in Weiß. Für die kleinen Skulpturen, die ich mache, verwende ich einen hochweißen Marmor. Es gibt gar keine andere Lösung für mich und für meine Formen. Ich habe nie irgendwelche Materialien mit Texturen verwendet. Wunderschön zwar, aber nicht für meine Formen.
Der Marmor für das Ei besitzt aber eine gewisse Textur. War ein Block von 55 Tonnen in Reinweiß nicht zu bekommen?
Für das Globo Uovo ist der Stein etwas mehr marmoriert. Denn diese Dimension in Reinweiß – das wäre fast unmöglich gewesen und hätte eine so lange Wartezeit gegeben. Und das Ei in dieser Größe in Reinweiß wäre fast vielleicht ein wenig zu schön (lacht), fast barock. Das ist unmöglich. Auch optisch, das ist fast kein Gestein mehr.
So wirkt das Ei auch wesentlich „lebendiger“.
Genau, das meine ich. Diese Methamorphose vom Gestein, dieser Berg, das muss mitschwingen.
Wie kam es zu dem Wechsel von schwarzem zu weißem Gestein?
Das ist eine interessante Frage. Da muss ich zurückgreifen. Ich wollte in den 1990er-Jahren eine wirklich große Skulptur machen. Ich habe in Carrara einen großen Block ausgewählt, ohne zu wissen, was ich daraus mache. Ich wollte mich durch das Material, durch den Block inspirieren lassen. Normalerweise gehe ich anders vor. Ich habe eine Zeichnung oder ein Modell, um danach am Gestein zu arbeiten. Aber jetzt wollte ich mich vom Block beeinflussen lassen. Das war damals eine Größe von 20 Tonnen. Und das belastete mich enorm (lacht). Ich merkte plötzlich, je nördlicher der Block transportiert wurde von Italien, umso größer wurde die Belastung in meinem Kopf. Ich war sehr blockiert! Und plötzlich fand ich die Lösung. Ich erarbeitete dann ein leichtes Tuch aus diesem Block. Das war wahrscheinlich meine Lösung, diese Schwere in mir in Bezug zum Block zu lösen. Und seit diesem Zeitpunkt arbeite ich nur noch mit weißem Gestein.
Sind es rein optische Gründe, warum Sie viel und gerne mit Marmor arbeiten oder auch wegen seiner Eigenschaften?
Beides eigentlich. Meine Skulpturen sind auch eine Sache des Lichts. Nicht nur bei dem großen Ei, sondern auch bei den anderen Skulpturen. Der Lichttransport durch die Öffnung und die Kanten, das macht es so gut. Und die Eigenschaften zum Arbeiten sind eine angenehme Nebenerscheinung. Er lässt sich gut verarbeiten, da er so gleichmäßig, so homogen ist. Aber ich verwende Marmor vor allem, weil Licht und Schatten wichtig sind für meine Skulpturen.
Sie möchten mit ihren Kunstobjekten auch eine Botschaft aussenden.
Ja, unbedingt. Das ist die größte Aufgabe eines Künstlers, wie ich finde. Das seine Arbeit gesehen und gehört wird, je nachdem. Die Kommunikation ist wichtig. Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn ich solch ein Ei mache, nur damit eine weitere schöne Skulptur irgendwo in einem Park steht. Das wäre zu wenig. Es braucht eine Botschaft.
Welche Botschaft ist das?
Wir haben sehr große Schwierigkeiten im Allgemeinen mit Ressourcen. Am empfindlichsten wirkt sich das bei der Nahrung aus. Und ich möchte wirklich die Aufmerksamkeit erwirken, dass die Menschen sich mit dem Thema Nahrung und Ressourcen auseinandersetzen. Dass sich ein kleiner Gedankengang ändert.
Ihre Skulptur steht momentan im Centre Dürrenmatt in Neuchâtel in der Schweiz. Vor Beginn der Ausstellung hatten Sie einen Aufruf zum Sammeln von Eierschalen gestartet. Was war der Grund?
Wir hatten für die Vernissage eine Performance mit einer Tänzerin geplant. Dafür brauchte ich sehr viele Eierschalen. Über ein Jahr haben Menschen zusammen ungefähr 35.000 Eierschalen gesammelt, gewaschen und mir überbracht. Etwas, was man normalerweise wegwirft. Zur Ausstellungseröffnung haben wir diese auf dem Boden des Museums ausgelegt und Wege frei gemacht, wie bei einem Labyrinth. Die Tänzerin suchte sich tanzend ihren Weg. Doch zwischendurch machte sie Fehltritte auf die Eierschalen, sodass es krachte. Und gleichzeitig, bei jedem Fehltritt, starb auch ein Teil ihres Körpers. Denn die Schalen stehen für unsere Ressourcen und wenn diese zerstört werden, stirbt auch der Mensch. Und so tanzte sie durch das Labyrinth und starb sukzessiv nach drei, vier Fehltritten einen dramatischen Tod.
Erfahren Sie mehr über das Projekt und über die Natursteinarbeiten in der Februarausgabe der STEIN. Weitere Informationen finden Sie auch unter www.stein-magazin.de/skulptur-des-monats-globo-uovo.