21.04.2016

Baustelle

Baudichtstoffe: Die Gefahr von Oximsilikonen


Oximsilikone als krebsverdächtig eingestuft

Elastische Baudichtstoffe werden in jedem Naturstein-verarbeitenden Betrieb eingesetzt. Um der Forderung nach geringer Dehnspannung und damit geringer Zugbelastung des abzudichtenden Materials gerecht zu werden, sollen sie möglichst weich eingestellt werden, ohne dass die Kohäsion und mechanische Festigkeit darunter leiden. Möglich wurde dies mit raumtemperaturvernetzenden, einkomponentigen Silikonen, die ihren Siegeszug rund um die Welt antraten. „Vernetzend“ bedeutet in dem Zusammenhang, dass diese Dichtstoffe nach der Verarbeitung abbinden. Leider aber werden während des Aushärtevorgangs, der durch den Zutritt von Luftfeuchtigkeit gestartet wird, oft sehr charakteristisch riechende Moleküle abgespalten. Bei Acetatsystemen, die beispielsweise für Sanitärabdichtungen verwendet werden, ist dies zum Beispiel Essigsäure. Diese kann allerdings verschiedene Natursteine, insbesondere Marmor, angreifen. Bei Aminsystemen hingegen – eingesetzt bei hoch belasteten industriellen Anwendungen – entsteht während des Aushärtens ein unangenehm empfundener fischähnlicher Amingeruch.

Dies führte zur Entwicklung von Neutralsystemen, von denen das sogenannte Oximsystem das bekannteste ist. Natursteinsilikone enthalten Oxime, weil diese auch auf empfindlichen Untergründen eingesetzt werden können. Wegen der Abspaltung von 2-Butanonoxim (Methyl-Ethyl-Keton-Oxim, MEKO) und deren vermuteter Reproduktionstoxizität (Gefährdung der Fortpflanzungsfunktionen und -fähigkeit) sind die Oximsilikone bereits in den letzten Jahren in die Diskussion geraten. Enthalten Produkte mehr als ein Prozent freies 2-Butanonoxim, müssen sie deshalb bereits heute mit dem Xn-Gefahrensymbol für „gesundheitsschädlich“ gekennzeichnet werden; und die eingesetzten Oximvernetzer müssen im Sicherheitsdatenblatt angegeben werden. Sogenannte „low-MEKO“-Produkte mit niedrigeren Konzentrationen sind allerdings nach wie vor kennzeichnungsfrei.

Einem Artikel von Diplom-Chemiker Rainer Dörr, bei der BG BAU in Wuppertal zuständig für Prävention im Bereich Gefahrstoffe, in der Fachzeitschrift „sicher ist sicher“ zufolge sind Oximsilikone auf europäischer Ebene allerdings auch als krebsverdächtig eingestuft worden und würden daher sicherlich in Kürze von den Herstellern freiwillig vom Markt genommen. Bei BG BAU-Messungen unter realistischen Verwendungsbedingungen waren Überschreitungen des seit September 2013 geltenden Arbeitsplatz-Grenzwertes für 2-Butanonoxim von 1 mg/m³ um das drei- bis fünffache sowie darüber hinaus festgestellt worden. Auch sechs Stunden nach der Verarbeitung war der Arbeitsplatz-Grenzwert – trotz ständiger Lüftung – noch nicht wieder unterschritten.

Den Anwendern von Dichtstoffen empfiehlt Dörr daher, die Sicherheitsdatenblätter – insbesondere die Abschnitte 3, 8 und 11 – sorgfältig zu lesen und gegebenenfalls beim Hersteller nachzufragen. Nur wenn andere Dichtstoffe aus technischen Gründen keine Alternative darstellen, könne noch der Einsatz von 2-Butanonoxim abspaltenden Oximsilikonen in Frage kommen. Dann allerdings seien Atemschutz (Gasfilter A, Kennfarbe Braun) und Chemikalien-Schutzhandschuhe aus Nitril bei der Verarbeitung zu tragen. Da 2-Butanonoxim über die Haut aufgenommen werden kann und überdies als hautsensibilisierend eingestuft wird, sollte das Glätten von Fugen mit Hilfe eines Glättwerkzeuges oder eines Holzspatels erfolgen.

Da die Freisetzung von 2-Butanonoxim etwa zwei bis vier Stunden nach Beginn der Arbeiten ihren Höhepunkt erreicht und über mehrere Tage andauern kann, müsse der betroffene Bereich über mehrere Tage gesperrt und währenddessen gut gelüftet werden. Eine Problemlösung bieten übrigens alkoholvernetztende sogenannte Alkoxysysteme, die sich in ihrer Verwendbarkeit kaum von den Oximsilikonen unterscheiden, bei deren Vernetzung aber chemisch praktisch inertes – also für den menschlichen Körper unschädliches – Methanol oder Ethanol entsteht.

Position der Hersteller von Dichtstoffen

Die innerhalb der deutschen Bauchemie im „Fachausschuss 7“ und die im Industrieverband Dichtstoffe (IVD) organisierten Hersteller von Baudichtstoffen haben über ihre Verbände der BG BAU mitgeteilt, auf Grund der skizzierten Situation 2-Butanonoxim-abspaltende Silikon-Dichtstoffe zu substituieren. Aus technischen Gründen ist für diese Umstellung mit einem Zeitbedarf von etwa zwei Jahren zu rechnen.

Nach dieser Frist sollten in Deutschland kaum noch 2-Butanonoxim-abspaltende Silikon-Dichtstoffe für die Anwendung im Innenraum zu finden sein. Um zu gewährleisten, dass in der Phase der Rezepturumstellung eine sichere Verwendung der 2-Butanonoxim-abspaltenden Silikon-Dichtstoffe gewährleistet ist, werden die Hersteller ihre Kunden über die in diesem Artikel beschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen informieren. Parallel werden die Hersteller aktiv mitverfolgen, wie sich die Diskussion um die gesundheitliche Bewertung alternativer Oxim-Silikone entwickelt.

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