Der Kölner Steinmetz- und Steinbildhauermeister Andreas Rosenkranz hat die ersten QR-Grabmale Deutschlands entwickelt und findet: Wer dem Friedhof von heute die digitale Trauerkomponente abspricht, hat den Wandel der Gesellschaft verpasst.
Wie viel Wandel braucht der deutsche Friedhof, wie viel Mut und Veränderungswillen sollten Friedhofsverwaltungen an den Tag legen? Flächendeckende Antworten auf diese Fragen zu finden, scheint schwer. Was aber klar ist: Sie beschäftigen die Branche inzwischen seit über einem Jahrzehnt. In anderen Ländern noch länger: „In Schweden hat ein Verstorbener schon 1999 einen Grabstein bekommen, in den eine URL eingemeißelt war, die zu einer Trauerseite führte. Und seit 2008 gibt es in Japan QR-Plaketten an Grabsteinen“, erzählt Andreas Rosenkranz. Zu jener Zeit ist in Deutschland flächendeckendes, mobiles Internet noch weitgehend unerforschtes Neuland.
Dem Steinmetzmeister erscheint die Japan-Meldung deshalb ziemlich skurril. Nur drei Jahre später wünscht sich sein Sohn statt eines Nintendos einen iPod. Rosenkranz inspiziert ihn und findet unter den vorinstallierten Apps: einen QR-Reader. Ihm kommt die Meldung aus Japan wieder in den Sinn und er ist sich sicher, dass bald sehr viele Deutsche ein Mobilfunkgerät in der Hosentasche herumtragen werden. Also marschiert er in seine Werkstatt, beginnt, zu skizzieren, entwickelt die Sandstrahltechnik, mit der er QR-Codes vertieft in den Naturstein einarbeitet. Heraus kommt: der Prototyp des ersten deutschen QRGrabsteins, mit dem Besucher direkt auf dem Friedhof via Smartphone mehr Informationen über den Verstorbenen bekommen können.
Allerdings ist das Ganze visuell ansprechender als bei den japanischen Vorbildern. Denn die Idee bedarf dringend einer ästhetischen Anpassung, findet Rosenkranz: „Diese Plaketten in Japan hatten für mich eine seltsame Anmutung, eine Art Warenauszeichnungscharakter. Hinzu kommt die deutsche Friedhofssatzung mit zahlreichen Einschränkungen, mit der die QR-Grabmale konform gehen mussten.“ Die rund 100 Grabmale, die Rosenkranz inzwischen quer durch die Bundesrepublik aufgestellt hat, sind deshalb anders: Der QR-Code ist handwerklich und reliefartig direkt in den Stein eingearbeitet, gestalterisch ins Gesamtkonzept eines Grabmals eingebettet. Wesentlich schöner als jede Plakette. Im Prinzip: ein Pendant zur traditionellen Grabmalinschrift.
„Als genau solche ist der QR-Code dann auch ein Jahr später vom Deutschen Städtetag in einer Handlungsempfehlung eingeordnet worden. Die haben mich unverhofft von rechts überholt, ohne zu blinken, indem sie den QR-Code der Grabmalinschrift gleichgestellt haben“, erzählt Rosenkranz. Als ein – Zitat aus der Handlungsempfehlung – „eigenständiges oder verbindendes Gestaltungselement, das Friedhofsverwaltungen nicht verbieten können“. Schon seit 2011 generiert der Steinmetzmeister die QR-Codes, die zu den jeweiligen Seiten, die Angehörige hinterlegen, weiterleiten, von einer Triple-Domain aus. „Dadurch haben wir einen kurzen, knappen Code, der zum Beispiel, wenn es gestalterisch besser wirkt, auch zu einem Viertel abgedeckt sein kann oder im angewitterten Zustand noch auslesbar ist.“
Dem ersten Grabmal, das Rosenkranz 2012 aufstellt, mit QR-Code in Kreuzform, folgen weitere Ideen wie die QR-Stele, der QR-Sockelstein und QR-Code-Inlays. Sie können in vorhandene Grabmale eingearbeitet werden. Denn Rosenkranz will nicht nur moderne Technologie und Denkmal verbinden, sondern hatte in der Vergangenheit wie viele Kollegen häufig ein Platzproblem: „Jeder, der vor einem der kleinen Urnengräber steht, kann das nachvollziehen: Wo soll da denn der Stein hin, der individuell Auskunft über den Verstorbenen gibt?“ Rosenkranz ist den beschränkten Visitenkartenmodus leid, in Zeiten, in denen im virtuellen Raum unendlich viel Platz zur Verfügung steht. Angehörigen nimmt der QR-Code zudem manchmal den Druck von den Schultern, zeitnah nach einem Trauerfall genau wissen zu sollen, wie das Grabmal aussehen und was es über den Verstorbenen aussagen soll.
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