28.07.2021

Chancen

Let’s Metz – im Netz

Auf instagram.com/lets.metz gibt Steinmetzmeister Thomas Jornitz gemeinsam mit seinem Sohn André regelmäßig Einblick in den Steinmetz-Alltag. Foto: Privat

Auf instagram.com/lets.metz gibt Steinmetzmeister Thomas Jornitz gemeinsam mit seinem Sohn André regelmäßig Einblick in den Steinmetz-Alltag. Foto: Privat

Steinmetzmeister Thomas Jornitz und sein Sohn starten am 1. September 2021 eine Instagram-Aktion, die drei Jahre laufen soll: eine „virtuelle Ausbildung“ im Steinmetzhandwerk. Dafür versorgen sie die Follower des Kanals @lets.metz mehrmals pro Woche mit Infos zum Handwerk, Videos und Aufgaben. Mit STEIN spricht Thomas Jornitz über die Idee, die nötige Weiterentwicklung der Ausbildung und Reichweite für das Handwerk via Social Media.

Auf instagram.com/lets.metz gibt Steinmetzmeister Thomas Jornitz gemeinsam mit seinem Sohn André regelmäßig Einblick in den Steinmetz-Alltag. Foto: Privat
Auf instagram.com/lets.metz gibt Steinmetzmeister Thomas Jornitz gemeinsam mit seinem Sohn André regelmäßig Einblick in den Steinmetz-Alltag. Foto: Privat

STEIN: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine virtuelle Ausbildung anzubieten?

Thomas Jornitz: Aktuell fordern viele: Kommt ins Handwerk, macht eine Ausbildung! Aber oftmals kommt da nicht mehr, und wir glauben, diese Art der Azubi-Werbung hinkt an vielen Stellen. Wir müssen mit einem coolen Format dorthin, wo junge Menschen sind. Und sie sind nun mal viel in den sozialen Medien. Deshalb glauben wir, wenn wir viel Mühe in die Aktion stecken und sie richtig bespielen, können wir damit auch Aufmerksamkeit generieren. Wir wollen aber nicht nur jungen Menschen einen genauen Einblick geben, wie so eine Ausbildung aussieht, sondern im besten Fall auch deren Umfeld und Interessierte aller Altersgruppen erreichen. Denn in der Gesellschaft leidet die Wertschätzung für Ausbildungsberufe, nicht nur im Handwerk. Da heißt es schnell: „Du machst also NUR eine Ausbildung?“ Wir planen die Aktion deshalb recht umfangreich. Die gängige Meinung „Zu einer Ausbildung gehört nicht viel dazu“ wollen wir aktiv ändern, indem wir zeigen, wie viel Wissen in diesen drei Ausbildungsjahren vermittelt wird. Unser Betrieb ist in Thüringen und Potsdam im Grabmalgeschäft aktiv, aber wir kooperieren für die virtuelle Ausbildung mit tollen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel in der Restaurierung arbeiten, Steinbildhauer sind oder sich auf Küchen spezialisiert haben.

STEIN: Was genau planen Sie? Sollen die Follower selbst aktiv werden?

Thomas Jornitz: Gemeinsam mit meinem Sohn werde ich mehrmals pro Woche Inhalte veröffentlichen. Das können Fotos mit Informationen sein, aber auch YouTube-Videos und Instagram Stories, Austausch mit Kolleginnen, Aufgaben, die die Community bearbeiten kann, wenn sie will. Die interaktive Ausbildung wird immer so gefilmt, dass die Follower das Gefühl haben, mein Sohn steht neben ihnen in der Ausbildung. Wir wollen auch eine Art Ausbildungsheft führen lassen. Dazu kommen Lehrinhalte aus der Berufsschul-Ausbildung, zum Beispiel zur Geschichte der Schrift. Da wollen wir gern tiefer reingehen, weil es für den Beruf von Bedeutung ist, zu erkennen, warum sich Schriften und mit ihnen auch ein Teil der Kultur und eben der Kunst wie entwickelt haben. Außerdem wollen wir viel vom Alltag zeigen, das oft tolle Miteinander unter Steinmetzen, aber auch, wenn bei der Arbeit mal was schiefgeht. Denn das überhöhte Image vom unfehlbaren Handwerker schreckt junge Menschen, die zum Beispiel Lust auf ein Praktikum hätten, vielleicht eher ab. Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger, zu lehren, wie man aus Fehlern bestmöglich lernt. Und dann haben wir schon einige kreative Ideen, wie wir Aspekte wie das Bewegen von Steinen und die verschiedenen Techniken, mit denen das auch ohne Maschinen funktioniert, veranschaulichen wollen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn unter den Followern zum Beispiel Azubis sind, die durch unsere Inhalte Lust haben, aktiv mitzumachen. Dafür haben wir zum Beispiel auch eine Kooperation mit einem Werkzeughersteller initiiert und verlosen einen Azubi-Lohn in Form eines Werkzeuggutscheins. Bevor wir im September starten, gibt es eine Bewerbungsphase. Interessierte können sich via Instagram für die virtuelle Ausbildung bewerben.

STEIN: Das klingt nach einer ganzen Menge Arbeit. Was wollen Sie für Ihren Betrieb damit erreichen?

Thomas Jornitz: Tatsächlich wird die Aktion sehr aufwendig, aber uns geht es nicht so sehr um unseren Betrieb. Klar bekommt man dadurch Aufmerksamkeit und Reichweite. Aber unsere Motivation ist das Engagement für das gesamte Handwerk. Denn nahezu alle Handwerksbetriebe suchen Nachwuchs, und gleichzeitig sinkt die gesellschaftliche Wertschätzung für die Ausbildung. In Deutschland gilt ein Studium als die „Königsdisziplin“. Da haben nicht nur die Handwerker, sondern auch die Innungen und die Bildungspolitik viel verschlafen. Wir haben die Hoffnung, wenn wir das frischer und vor allem positiv angehen, diese gewisse Unnahbarkeit der Branche aufbrechen und damit die Schwelle für junge Menschen so niedrig wie möglich halten, können wir etwas bewegen.

STEIN: Was muss sich Ihrer Ansicht nach in der Ausbildung verändern?

Thomas Jornitz: Sie muss dringend der aktuellen Zeit angepasst werden. Es kann nicht sein, dass jeder Tischlerlehrling schon in der Ausbildung mit CNC-Programmen arbeitet, aber Steinmetze jahrelang nur Grundlagen wie Profilhauen beigebracht bekommen. Die Branche transferiert den Fortschritt der vergangenen 20 Jahre nicht in die Ausbildung, sondern will dort die Tradition unbedingt hochhalten, obwohl es zum Beispiel technische Alternativen gibt. Die Berufsschulen geben sich viel Mühe, aber auch das Lehrmaterial ist teilweise veraltet oder sehr fad. Und ich würde mir wünschen, dass auch das Zwischenmenschliche mehr Raum bekommt. Ein Mitarbeiter in einem Grabmalbetrieb braucht zum Beispiel Fingerspitzengefühl für pietätvolle Beratung der Trauernden. Das lernt aber bisher niemand. Und zu guter Letzt wäre es den heutigen Zeiten angemessen, es Quereinsteigern, die zum Beispiel einen Gesellenabschluss machen wollen, aber schon voll im Berufsleben stehen und eben flexible Modelle brauchen, leichter zu machen.

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