Rundgang durch 1.000 Jahre Porträtgeschichte
Am Wochenende laden über 90 Kulturstätten in München zur Nacht der offenen Museen ein. Auch die Glyptothek ist dabei – sie zeigt griechische und römische Marmorköpfe von 500 v. Chr. bis 500 n. Chr.
STEIN sprach mit Direktor Florian S. Knauß und den beiden Steinrestauratoren Alfons Neubauer und Olaf Herzog über die aufwendigen Vorarbeiten für die Sonderschau: Zahlreiche Skulpturen wurden aus dem Depot geholt, bei einigen sogar die in den 1960er-Jahren -abgenommenen barocken und klassizistischen Marmorergänzungen wieder angebracht.
„Da die Münchner Glyptothek eine Porträtsammlung von eindrucksvoller Größe und herausragender Qualität besitzt, lag eine Ausstellung zum Bildnis in der Antike nahe“, erklärt Dr. Florian S. Knauß, Direktor der Münchner Institution. „Wir haben sie ,Charakterköpfe’ genannt. Heute verbindet man mit einem Porträt in erster Linie das Gesicht, doch im Altertum konnte das Bild eines Menschen erst vergleichsweise spät auf seinen Kopf reduziert werden. Für die Griechen gehörte zum Bildnis eines Menschen selbstverständlich der Körper dazu, der wichtige Aussagen über die dargestellte Person enthielt. Doch diese oft lebensgroßen, manchmal kolossalen Statuen sind kaum einmal erhalten, schon gar nicht die in der Regel bronzenen Originale. So wird der Besucher der Ausstellung vor allem Büsten und Einsatzköpfen aus Marmor begegnen. Sie lassen die viri illustres, die Feldherrn und Philosophen, Dichter und Redner, die viele noch aus den antiken Texten kennen, lebendig werden.“
Dr. Christian Gliwitzky, stellvertretender Leiter der Glyptothek, konzipierte und kuratierte die Schau, für die 40 Köpfe aus dem Depot geholt wurden. Jetzt ist der reiche Schatz des Museums, ergänzt um 30 hochkarätige Leihgaben aus großen archäologischen Sammlungen der Welt und aus Privatbesitz, bis Mitte Januar 2018 zu sehen. Die Schau ermöglicht nun einen Rundgang durch 1.000 Jahre Porträtgeschichte.
Die Planung für die Ausstellung lief drei Jahre. Gut die Hälfte davon beschäftigten sich die Steinrestauratoren Alfons Neubauer und Olaf Herzog mit den Vorarbeiten. „Der Alexandersaal ist für die Sonderschau ganz neu eingerichtet worden“, erzählt Alfons Neubauer. „Der Kraftakt für die Ausstellung war groß. Wir haben jedes Stück bewegt. Die Großskulpturen und Reliefs sind aktuell nicht zu sehen“, fügt Olaf Herzog hinzu. „Von 140 Porträts hat nur eines seinen Platz behalten“, ergänzt Direktor Florian Knauß.
Marmorergänzungen wieder angebracht
Es wurden aber nicht nur neue Porträt-Gruppen gebildet, sondern bei einigen Objekten sogar die in den 1960er-Jahren abgenommenen barocken und klassizistischen Marmorergänzungen wieder angebracht. „Bis ins späte 18., sogar bis ins frühe 19. Jahrhundert war man noch der Auffassung, dass das Ergänzen von Skulpturen eine Verbesserung darstellt“, erklärt Glyptothek-Chef Florian S. Knauß. „Seit Winkelmann ist man dann zur Überzeugung gelangt, dass man die originale Substanz präsentieren und nichts hinzufügen sollte. Die Ergänzungen schufen in der Vergangenheit prominente Bildhauer. In München haben wir dann den Sonderfall, dass König Ludwig I. 1811/12 noch darauf bestand, die gerade erworbenen Aegineten zu ergänzen. Aus diesem Grund haben wir hier in München noch vergleichsweise späte Rekonstruktionen an den Objekten. Die ganz starke Gegenbewegung kam dann nach dem Zweiten Weltkrieg, als man massiv entrestauriert hat. Damals nahm man alle Ergänzungen ab, und das gilt nicht nur für Stein, sondern auch für Keramik. Heute sind wir der Auffassung, dass dieses radikale Entrestaurieren auch nicht der Königsweg ist. Zum Teil haben wir es jetzt ein wenig rückgängig gemacht. Denn es verkennt natürlich, dass der Museumsbesucher kein Archäologe ist, der sich alles ergänzen kann, sondern Sehhilfen braucht. Eine einheitliche Linie dazu gibt es nicht. Aber wir sind der Meinung, dass eine moderate Ergänzung hilfreich ist. Die Restaurierung sehen wir heute auch als einen eigenen wichtigen Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte an.“