Vom Hörsaal in die Werkstatt
Dem Berufsbildungsbericht 2015 zufolge gab es zum Ende des vorangegangenen Ausbildungsjahrs noch 37.100 unbesetzte Berufsausbildungsstellen in Deutschland – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Im Handwerk blieben zum Stichtag am 30. September 2015 knapp 20.000 Stellen frei. Die einzig erfreuliche Nachricht: Mit bundesweit insgesamt 129.930 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnet das Handwerk immerhin ein leichtes Plus von 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Unsere individuellen Bemühungen sowohl um schwächere Schulabgänger als auch um Abiturienten und Studienaussteiger haben maßgeblich zur Trendumkehr beigetragen“, bilanziert Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).
Ob man bei diesen Zahlen tatsächlich schon von einer Trendwende sprechen kann, ist fraglich und das Dauerbrenner-Thema „Fachkräftemangel“ aktueller denn je. Immer mehr Schulabgänger zieht es an die Universitäten und Fachhochschulen. Noch nie gab es so viele Studenten in Deutschland wie im Wintersemester 2015/2016: Über 2,7 Millionen Frauen und Männer sind nach ersten Berichten des Statistischen Bundesamts an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Im Vergleich zum Wintersemester 2012/2013 hat sich die Studentenzahl um fast 260.000 erhöht – eine Zunahme von zehn Prozent. Die Verschiebung von der Berufsausbildung hin zum Studium mit einhergehendem Nachwuchsmangel stellt eine große Herausforderung für das Handwerk dar.
Diese Problematik haben auch die Politiker erkannt und im Bundestag deutliche Verbesserungen des Meister-BAföG beschlossen: Die Förderbeiträge für den Lebensunterhalt und die Lehrgangskosten, die Zuschläge für die Kinderbetreuung und der Erfolgsbonus sollen erhöht werden. Bisher wurden bei einer erfolgreich abgelegten Prüfung 25 Prozent des Darlehens für Prüfungs- und Lehrgangsgebühren erlassen, zukünftig sollen es 40 Prozent sein. Zudem wird die Förderung für Studienabbrecher und Bachelor-Absolventen geöffnet, die eine handwerkliche Ausbildung anschließen wollen und dafür bisher kein BAföG erhielten. Die Änderungen sollen zum August 2016 in Kraft treten.
Der Beschluss des Bundestags könnte für viele Studienaussteiger ein Anreiz für eine Berufsausbildung sein und für das Handwerk eine echte Chance, wieder mehr Auszubildende zu gewinnen. Immerhin brechen laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) fast 30 Prozent aller Bachelor-Studenten ihr Studium ohne Abschluss ab. Die häufigsten Gründe dafür sind Leistungsprobleme, finanzielle Schwierigkeiten und mangelnde Studienmotivation. Aber auch der fehlende Praxisbezug spielt für viele eine große Rolle. Und genau hier kann das Handwerk ansetzen und die Studienaussteiger mit gezielten Ausbildungsmarketing-Maßnahmen ansprechen.
Die Ausbildungsbetriebe müssen die eigene Ausbildung als qualitativ hochwertiges Dienstleistungsangebot am Ausbildungsmarkt präsentieren. Klassische Methoden wie beispielsweise die Beteiligung an Ausbildungsmessen, Berufsinformationstagen, Zeitungsannoncen oder Aushängen in Schulen oder Hochschulen sind nach wie vor bewährte Vorgehensweisen. Im Zeitalter des Internets gewinnen jedoch soziale Netzwerke wie Facebook, Google+, Instagram, Twitter und Co. immer mehr an Bedeutung. Aber auch das digitale Erscheinungsbild in Form der Firmenwebsite spielt eine entscheidende Rolle. Viele Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern bieten Betrieben praxisnahe Hilfen beim Ausbildungsmarketing an. Informieren Sie sich bei den Kammern über diese Initiativen.
Lesen Sie mehr zu konkreten Möglichkeiten der Nachwuchsförderung im Steinmetzhandwerk in STEIN im April 2016.