11.05.2017

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Information ist Pflicht


STEIN: Herr Braun, Sie haben Ihr Team sogar aufgestockt, um die Welle an Anfragen für ein Schlichtungsverfahren zu bewältigen. Wie sehen die Erfolgsquoten für solch ein außergerichtliches Verfahren aus?

 

Haben Sie schon einen Verweis auf die Verbraucherschlichtung auf Ihrer Homepage und in den AGB? Das sollten Sie, denn seit dem 1. Februar 2017 gilt für Unternehmer die Informationspflicht gemäß dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Hier sollten Sie definieren, ob Sie im Ernstfall an einer außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen.  STEIN sprach mit Felix Braun, Vorstand der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle in Kehl am Rhein, über die Verbraucherschlichtung im Handwerk und welche Vorteile ein außergerichtliches Verfahren mit sich bringt. 

Felix Braun: Es ist noch zu früh, um Zahlen zu nennen. Die Schlichtungsverfahren werden erst jetzt mit Inkrafttreten der Informationspflicht richtig anlaufen. Wir haben aber schon einige Fälle mit hohem Streitwert, also über 9.600 Euro, erfolgreich gelöst. Täglich rufen ca. 20 Unternehmen an und lassen sich beraten. Verlässliche Zahlen wird es im kommenden Jahr geben. Das Schlichtungsverfahren ermöglicht jederzeit die Option abzubrechen und den Gerichtsweg zu beschreiten.

Wie oft passiert es, dass Betriebe in das Schlichtungsverfahren nicht einwilligen?

Braun: Das kommt leider noch häufig vor, wir nehmen das sehr ernst. Möglich, dass es da Vorbehalte gibt, wegen der Bezeichnung »Verbraucherschlichtungsstelle«, die vielleicht suggerieren könnte, wir würden nur die Verbraucherinteressen vertreten. Aber wir sind neutral und achten genauso darauf, dass die Interessen der Unternehmen ebenfalls Raum finden. Trotz der in der Tat einseitigen Kostenpflicht – nach dem VSBG dürfen von Verbrauchern im Fall einer missbräuchlichen Beschwerde Verfahrensgelder verlangt werden – können Unternehmer durchaus hohe Kosten sparen, wenn der Fall nicht vor Gericht muss, denn selbst ein dortiger Vergleich kann teuer werden. Nachdem wir die Parteien rechtlich auf Augenhöhe gebracht haben, können unsere Vorschläge überdies flexible, interessengerechte Lösungen empfehlen, die für alle Seiten günstiger sein können. Das heißt, ein Schlichtungsvorschlag kann auch mal vom Gesetz abweichen.

Schlichtungsstellen bei den Handwerkskammern und anderen Organisationen gibt es ja schon länger. Warum braucht es zusätzlich noch die Allgemeine Schlichtungsstelle?

Braun: Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu Bewährtem. Allerdings gibt es Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des VSBG und sonstige Schlichtungsangebote. Es muss aber – so schreibt es das VSBG vor – eine Verbraucherschlichtungsstelle geben, die dann tätig wird, wenn es keine branchenspezifische Verbraucherschlichtungsstelle gibt. Die gibt es zum Beispiel für Versicherungen und Fahrgastrecht, aber nicht für das Handwerk. Hier sind wir quasi Auffangstelle. Insbesondere rechtliche Probleme können wir sehr gut bearbeiten. Geht es um technische Fragen, bleiben die Handwerkskammern ein wichtiger Ansprechpartner; wir weisen auch auf unserer Internetseite auf deren Angebot hin.

Ist Ihnen bekannt, ob es bereits Abmahnungswellen von Anwaltskanzleien gibt, wenn Betriebe der Informationspflicht nicht nachkommen?

Braun: Von einer Abmahnungswelle ist mir noch nichts bekannt, aber das wird sehr wahrscheinlich kommen. Es werden weniger die Verbraucherschutzverbände sein, als Anwaltskanzleien, die mit einer bestimmten Masche arbeiten. Solche Massenabmahnungen können rechtsmissbräuchlich sein, die kann aber oft nicht einfach nachgewiesen werden.


Die verschiedenen außergerichtlichen Konfliktlösungsmodelle

– Das Schiedsgericht entscheidet endgültig und rechtswirksam eine Rechtsstreitigkeit. Es ist eine Alternative zum Gericht und ihm in der Verfahrensweise am ähnlichsten.
– Die Mediation unterstützt die Parteien bei der Findung einer eigenen einvernehmlichen Lösung. Der Mediator trifft selbst keine Entscheidung.
– Die Schlichtung (zum Beispiel durch die Bauschlichtungsstellen, die bei einigen Handwerkskammern eingerichtet sind) kann zu einem Schlichterspruch führen, der allerdings von den Parteien akzeptiert werden muss, um wirksam zu sein.
– Die Adjudikation als neues Modell ist die schnellste Form der Konfliktlösung, innerhalb von zwei Wochen kann der Adjudikator eine Lösung herbeiführen, die bei Bedarf später noch durch ein Schiedsverfahren überprüft werden kann.


Beispiel Pro Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren

Steinmetzmeister & Bildhauer Günter Floßdorf in Bonn ist für die Allgemeine Verbraucherschlichtung

Auf der Homepage von Günter Floßdorf e. K., Steinmetzmeister & Bildhauer in Bonn-Ückesdorf ist im Menüpunkt »Hinweis Verbraucherschlichtung« zu lesen: »Die für die Fa. Gestaltung in Stein Günter Floßdorf e.K. zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e.V., Straßburger Straße 8, 77694 Kehl am Rhein, Telefon 07851 / 795 79 40, Fax 07851 / 795 79 41, E-Mail: mail@verbraucher-schlichter.de, Webseite: verbraucher-schlichter.de. Die Fa. Gestaltung in Stein Günter Floßdorf e.K. erklärt sich bei rechtlichen Konflikten mit Verbrauchern (§ 13 BGB) bereit, an Verbraucherschlichtungsverfahren nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz teilzunehmen.«

 


Beispiel Contra Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren

Die Bild- und Steinhauerei Hinze in Hannover beteiligt sich nicht an der Verbraucherschlichtung
Im Impressum unter dem Punkt »Verbraucherschlichtung nach VBSG« ist auf der Homepage von Geschäftsführer Achim Hinze folgendes vermerkt: »Die Ernst Hinze GmbH & Co. KG beteiligt sich nicht an Verbraucherschlichtungsverfahren nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz.
Streitigkeiten über den geschlossenen Vertrag und dessen Ausführung können jedoch vor der Vermittlungsstelle der Handwerkskammer Hannover, Schieds- und Schlichtungsstelle im Handwerk (SSH), Berliner Allee 17, 30175 Hannover, Telefon: 0511/34 85 90, Telefax: 0511/34 85 9-32, Email: info@hwk-hannover.de, Webseite: hwk-hannover.de verhandelt werden.«


Vorteile des Streitbeilegungsverfahrens für Unternehmen

– Kostenpunkt: das Schlichtungsverfahren ist vergleichsweise günstig und die Kosten sind im Voraus kalkulierbar.
– Zeit ist Geld: Die Schlichtung spart Zeit im Vergleich zum Aufwand eines Kundenbeschwerdemanagements oder gar eines Gerichtsverfahrens.
– Vertraulichkeit: das Verfahren ist nicht öffentlich.
– Flexibilität: Das Verfahren kann jederzeit abgebrochen und der Rechtsweg beschritten werden.
– Der Streitmittler: neutral und unabhängig, fachkundig und erfahren; ein Vorteil nicht nur für Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung.
– Individuelle Lösung: Beim Schlichtungsvorschlag können nicht nur die juristischen Aspekte, sondern auch sonstige Umstände berücksichtigt werden.
– Aushängeschild und Abhebung: die Teilnahme an Schlichtungsverfahren hat eine positive Außenwirkung, die Kundenbeziehung wird nachhaltig gestärkt.


Erfahren Sie mehr über die Verbraucherschlichtung in STEIN 06/2017 ab Ende Mai.  

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